“Fühle mich wie „Leonardo Di Caprio“ in „The Revenant“, als er durch den Wald streifte. Er hatte wenigstens ein Gewehr dabei. ”
Gestern Abend bin ich aus Worfelden aufgebrochen zu einem langen Lauf in Richtung Mörfelden, zur Vorbereitung auf den Frankfurt Marathon nächstes Wochenende. Ich wollte einfach mal länger in eine Richtung laufen, in die ich sonst nicht so oft zu Fuß unterwegs bin.
Nach knapp 7 Kilometern war ich in Mörfelden angekommen und lief die 486 in Richtung Mönchbruch. Ehe ich mich versehen konnte war ich irgendwie nach 14 Kilometern in Hassloch. Moment, Hassloch? Ist da nicht der Holiday Park? Kann nicht sein, falsche Richtung, viel zu weit weg. Nächstes Schild „Rüsselsheim“. Mittlerweile war es 19:30 Uhr und dunkel. Hier kenne ich mich leider gar nicht aus. Ich kenne grob die Richtung, in der Nauheim und dann irgendwann Groß-Gerau liegen muss. Ich kenne die Strecke mit dem Auto über die A67 nach Rüsselsheim. Zu Fuß keine gute Idee.
Also erst einmal dem Gefühl nach bei dunkler Nacht. Treffe beim überqueren der Autobahnbrücke zwei Fußgänger mit einem Hund. Frage nach dem Weg Richtung Groß-Gerau. Kein Erfolg. Die schauen mich nur komisch an und sagen: „ich würde mich links halten.“. So weit war ich auch schon. Links ist ein Fluss. Wo kommt der jetzt her? Wo bin ich hier gelandet? Okay, laut Google-Maps ist es nur ein Graben, der Horlachgraben.
“Keine 10 Minuten später schon verlaufen. Panik gekriegt, umgedreht. Aldi gestürmt, Ersatzbatterien für die Stirnlampe und eine kleine Cola gekauft. Überleben gesichert.”
Dank Handy und Google Maps finde ich irgendwie die richtige Richtung nach Nauheim. Es wird komplizierter mit der Wegführung. Muss immer wieder stehenbleiben und mich orientieren. Ab über Feldwege und durch dunkle Wälder. Viel Nebel. Bin ich hier wirklich richtig? Habe keine Ahnung. Fühle mich irgendwie wie „Leonardo Di Caprio“ in „The Revenant“, als er durch den Wald streifte. Er hatte wenigstens ein Gewehr dabei. Hat ihm aber auch nicht viel genutzt, als er gegen den Bären kämpfte. Okay, einen Bären hab ich nicht gesehen, nur vier Hasen, die waren aber zum Glück auch unbewaffnet und haben bemerkt, dass ich kein Interesse an ihrem Fell und Fleisch hatte. Wir haben uns einfach stillschweigend darauf geeinigt, uns gegenseitig am Leben zu lassen und sind weiter unseres Weges gezogen.
Ich laufe im Nebel an Feldern vorbei an alten Bauernhöfen und riesigen Scheunen. Sehen kann ich nicht viel, Licht kommt hier nur von meiner Stirnlampe. Viele Gedanken schießen mir durch meinen Kopf. Gerade erst, bei einer nicht ganz ernst zu nehmenden Nachrichtenquelle, gelesen, dass ein Trend aus den USA. zu uns kommt. Irgendwelche Idioten verkleiden sich als Horror-Clowns und erschrecken dich mir Kettensägen und Äxten. Da wartet sicherlich gleich einer bei der nächsten Scheune, da drüben im Nebel nur darauf, bis der Tobi vorbeikommt…
Ich laufe durch einen Wald. Der Handy-Akku hält. Noch ein paar Kilometer im Dunkeln durch die Welt. Dann sollte ich Groß-Gerau sehen. Doch alles was ich jetzt zu sehen bekomme, ist wieder einmal Nebel und eine dicke Pfütze. Die spüre ich allerdings zuerst, bevor ich sie dann sehen kann. Mist.
Jetzt ist es fast nur noch ein Katzensprung. Endlich kenne ich den Weg wieder. Die Beine werden schwer. Bin einfach zu wenig gelaufen die letzte Zeit. Vollkommen außer Form. Gute Voraussetzungen für den Frankfurt Marathon 2016. Aber ich werde es dort sowieso eher als langsam und als Trainingslauf angehen. Nach 30 Kilometern stehe ich wieder in Worfelden. Kaputt, aber glücklich. Was für ein unverhofftes Abenteuer. Laufen ist einfach geil.