“Die Akzeptanz unangenehmer Dinge nimmt zu im Quadrat der Entfernung. – Karl Werner Dickhöfer”
Dem Thema warum ich Ultra-Marathon laufe habe ich ja bereits einen Artikel gewidmet. Doch mich fasziniert noch so viel mehr an dieser wunderbaren Sportart. Es gibt ein Thema, dass mich beim Laufen und auch privat schon länger beschäftigt: Akzeptanz.
Immer wieder fallen mir Situationen im Leben auf, in denen Menschen sich über Dinge aufregen, die sowieso nicht mehr geändert werden können. Ich ertappe mich dabei selbst immer wieder. Einmalige Umstände oder Situationen berauben uns unserer positiven Stimmung. Unzählige Situationen stellen unsere Geduld täglich auf die Probe: ein Kratzer im Auto, ein verlorener Gegenstand, ein defektes technisches Gerät, ein verpasster Termin…
Unglaublich viel Energie investieren wir durch nicht mehr änder-/vermeidbare Situationen, um zu fluchen oder uns zu ärgern. Man gleitet in einen unzufriedenen Gemütszustand, negative Energien fließen und ungesunder Stress entsteht. Das kann auf Dauer krank machen. Nicht zu vergessen ist die enorme Menge an Zeit, die wir in unserem Leben damit verschwenden, uns über einmalige, nicht mehr änderbare Dinge aufzuregen.
Wenn es uns nur gelinge, negative Umstände einfacher zu akzeptieren, dann könnten wir die gewonnene Energie und Zeit viel besser nutzen. Leider ist das nicht für jeden gleichermaßen einfach. Eine niedrige Toleranzschwelle und ein dünnes Nervenkostüm machen so einigen Menschen schnell einen Strich durch die Rechnung. Man kann daran arbeiten, mehr Akzeptanz zu entwickeln und dadurch mehr Lebensqualität zu erreichen. Es gibt viele Möglichkeiten dies zu tun.
Ich versuche mich in Situationen in denen ich mich gerade über irgendetwas aufregen möchte immer wieder daran zu erinnern. Manchmal klappt das ganz gut und manchmal nicht. Dann fluche ich und vergeude wieder Energie… Es ist aber unglaublich befriedigend, wenn man dabei ein Erfolgserlebnis hat und gefühlt ganz besonnen wie ein in sich ruhender Mönch reagiert.
Ein äußerst wirkungsvolles Instrument mehr Akzeptanz zu entwickeln ist für mich das Laufen von langen Strecken. Für manche mögen dies zwei Kilometer sein, für andere 5, 10, 50 oder noch mehr. Das spielt überhaupt keine Rolle. Wichtig ist es seine persönlichen Grenzen auszuloten und zu verschieben. Die eigene Komfortzone verlassen. Dann, wenn die Beine richtig müde werden, wen ein Wehwehchen nach dem anderen auftritt und der Kopf verrücktspielt. Wenn Körper und Geist einen mit jedem Schritt dazu bewegen wollen aufzuhören, nach Hause zu gehen, warm zu duschen und sich entspannt auf die Couch zu legen. Jeder Ultra-Läufer kennt das und jeder Läufer entwickelt seine eigenen Strategien, um mit solchen Situationen umzugehen. Hier sind drei denkbare Möglichkeiten zur Auswahl:
- Er gibt den verlockenden Klängen nach und hört einfach auf.
- Er regt sich auf, flucht und kämpft dagegen an.
- Er akzeptiert seine Lage und arrangiert sich mit dem Schmerz.
Möglichkeit (1) ist am einfachsten. Auch hier könnte man von einer Art Akzeptanz sprechen. Ich akzeptiere meine Grenzen und höre einfach auf. Wenn man seine Grenzen wirklich erreicht hat ist das vollkommen in Ordnung. Allerdings kennen viele Menschen ihre wirklichen Grenzen gar nicht und geben viel zu früh auf. Oftmals dann, wenn die Komfortzone noch gar nicht wirklich verlassen wurde.
Möglichkeit (2) kann uns zwar an das Ziel bringen, allerdings müssten wir dann viel Zeit mit negativen Gedanken und Energien verbringen. Also genau das, was wir eigentlich nicht wollen. Deshalb sehe ich diese Möglichkeit (wenn überhaupt) als vorübergehende Übergangslösung zur Möglichkeit (3) an.
Möglichkeit (3) bietet uns die richtige Art von Akzeptanz, die es uns ermöglicht, unsere Grenzen zu erweitern und unsere Komfortzone zu verlassen. Wir akzeptieren die Situation und arrangieren uns einfach damit. So können wir den Lauf hoffentlich erfolgreich beenden und unseren inneren Schweinehund besiegen. Negativen Energien schieben wir so einen Riegel vor und wir wenden setzen unsere bereits limitierten Kraftreserven nicht für Dinge ein, die wir sowieso aktuell nicht mehr ändern können.
Diese Erfahrungen vom Ultra-Laufen übernehme ich auch in meine anderen privaten Bereiche und auch in meine beruflichen Bereiche. Für mich ist das sogar ein Grund, warum ich überhaupt lange Distanzen laufe.
Wie gehst du mit solchen Situationen um? Verlierst du leicht die Fassung in schwierigen Situationen? Arbeitest du daran, solche Situationen besser zu meistern?
Hi Tobias,
du schreibst mir aus der Seele. Gerade zufällig über den Beitrag gefallen, bemerkt, dass ich dich ja beim Pfalztrail kurz mit Esther gesehen habe und ich glaube dann später auch bei der VP bei 57km auf der Bank, richtig? Da war ich auch kurz davor auszusteigen, bin dann aber noch weiter gelaufen, musste aber leider kurz vorm Ziel aufgeben, weil es wirklich nicht mehr ging.
Das was du da beschreibst kenne ich nur zu gut und ich finde es ist von Vorteil aus allem das Beste zu machen..ich musste den Lauf gestern auch in einen Blogpost packen um mich zu ordnen und auch dort habe ich so etwas ähnliches von mir gegeben wie „die guten Phasen eines Ultras genießen und die schlechten annehmen und überleben“.
Das kann man kaum jemanden erklären der noch keinen Ultra gelaufen ist, ich erlebe es immer wieder. Da heißt es dann einfach ganz stumpf, ich mache mich nicht kaputt und wenn es weh tut dann höre ich auf.
Nur da liegen Welten dazwischen..es ist ein Unterschied ob man mit einem zwickenden Bein einen Halbmarathon läuft oder einen Ultra, der einen irgendwann an den Punkt treibt, an den man meint, dass es jeden Moment nicht mal mehr einen halben Schritt weitergeht. Mir ging es ab km 30 leider schon so, damit hatte ich nicht gerechnet. Sich mit dem Schmerz zu arrangieren hat bis knapp über 70km funktioniert, aber manchmal muss man sich auch eingestehen, dass es keinen Sinn mehr macht, vor allem dann nicht, wenn man wirklich nicht mehr auftreten kann. Das war eine neue Erfahrung für mich, aber in diesem Moment glasklar.
Um Grenzen zu verschieben muss man nicht nur leidensfähig sein, man muss auch ein wenig die Qual lieben, im Hier und Jetzt leben, Zeit und Raum vergessen und einfach laufen. Mir hilft das ebenfalls im Alltag, es ist gewissermaßen eine Sicherheit die man hat. Genauso wie ich keine Angst mehr habe, stundenlang allein im Wald unterwegs zu sein, neue Trails zu erkunden, mich eventuell auch mal zu verirren, einfach weil ich weiß, dass ich meinen Beinen vertrauen kann 🙂
Viele Grüße,
Jamie
Hallo Jamie,
es freut mich, dass du den Weg hierher gefunden hast. Die Welt ist klein 😉
Ja der Pfalztrail war nicht ganz so erfolgreich für mich. Ich war vorher schon ein paar Monate nur bedingt lauffähig wegen Sehnenproblemen. Auf den Pfalztrail wollte ich aber nicht verzichten und so bin ich halt doch gestartet. Eben nur so lange, wie es ohne Schmerzen im Fuß ging. Ich bin schon extra sehr langsam unterwegs gewesen, um den Fuß zu schonen. Irgendwann bin ich dann trotzdem bei km 50 oder sowas rausgegangen, weil ich wieder Probleme bekommen hatte. Macht aber nichts, muss man einfach akzeptieren 🙂
Schade, dass du auch nicht durchlaufen konntest. Der Lauf ist schon nicht so einfach. Und hey, 40km weiter zu laufen wenn es nicht rund läuft ist auf jeden Fall schon eine tolle Leistung! Liebe Grüße und bis vielleicht irgendwann mal wieder.
-Tobi-